Nachdem es zuerst so aussah, als ob ich als nächstes Horrorstör beenden würde, hab ich, mal wieder vom Guardian, einen neuen Lesetipp bekommen, Alan Booth, The Roads to Sata. Und das führte dazu, dass ich bei Amazon vier Bücher bestellte, zwei von Alan Booth, einem Engländer, der in Japan lebte, ein Buch von Michael Booth (nicht verwandt, wenn ich das richtig gelesen habe). Aber zuerst gelesen habe ich Will Ferguson: Hokkaido Highway Blues. (Englischer Titel, ich habe die englische, vom Autor gekürzte, spätere Taschenbuchausgabe gelesen, auch veröffentlicht unter Hitching Rides with Buddha).
Ferguson, Kanadier, lebte ein paar Jahre als Englisch-Lehrer im südlichen Japan, ehe er, ein wenig betrunken. bei einem Kirschblütenfest ein folgenschweres Versprechen abgab: Er würde der Kirschblüte durch Japan folgen – und zwar als Anhalter.
Die Kirschblüte ist DAS Frühlingsereignis in Japan, und wird von den Japanern mit viel Alkohol und Picknicks und Ausgelassenheit gefeiert. Gleichzeitig ist Sakura auch eine sehr ernstzunehmende Sache, in den Nachrichten wird der Stand der Kirschblüte in den einzelnen Regionen gemeldet!
Unser Kanadier, nach zwei Jahren in Japan des Japanischen einigermaßen mächtig, zumindest gesprochen (Kanji brauchen ihre Zeit, sogar Japaner brauchen ungefähr 7 Jahre in der Schule, bis sie die erforderlichen Anzahl von Kanji erlernt haben, um eine Zeitung zu lesen), bricht also auf und erzählt nur ein paar Randnotizen von Japan, aber sehr viel von den Japanern, die ihn mitgenommen haben.
Bis dahin liebte ich das Buch. Leider hat er seine Unzufriedenheit darüber, dass man ihn nach 3 Jahren in Japan immer noch als Außenseiter bezeichnete und behandelte, den Autor dazu gebracht, seine durch japanische Tradition schon fast zum Mitnehmen gezwungenen Fahrer besonders kritisch zu beobachten. Er schont zwar auch sich selber nicht, aber für jemanden, der sich so durchschnorrt wie Herr Ferguson, war er sehr oft sehr hart mit den Leuten, die ihn mitgenommen haben (oder die er anderswo traf). Er beschrieb z.B. ein Freundinnenpaar, die aufgeschlossene junge Frauen waren, und vielleicht auch Liebende, sowas soll es ja auch in Japan geben, sehr eigenartig. Ja, in Freundschaften ist oft einer der Erfahrenere, der Wissendere und der andere eben weniger erfahren, weniger wissend. Aber dass Japan dieses Verhältnis mit Worten beschreiben kann ist doch noch lange kein Grund, sich darüber lustig zu machen. Hier zeigt er sein Außenseitertum in voller Ausprägung.
Er schreibt auch gerne den Japanern eine gewisse Arroganz zu (und ganz sicher gibt es auch in Japan arrogante Leute – die gibt es überall), aber übersieht, welche Arroganz es ist, eine ganz andere Kultur mit ganz anderen Prämissen an kanadischen (westlichen) Maßstäben zu messen.
Alles in allem war das Buch gut zu lesen. Flüssig und unterhaltend geschrieben. Aber es fordert mich eben auch zu Widerspruch heraus. Es ist eine Sache, sich über Sachen zu wundern, eine ganz andere, Sachen, die einen verwundern, als schlecht darzustellen.
Ich werde mich nun Alan Booth zuwenden, der die Tour in anderer Richtung BEGANGEN hat (also, in der Richtung, nicht unbedingt dieselben Orte, weil Herr Ferguson ja per Auto unterwegs war – oder per Fähre) und mich auf The Roads to Sata begeben. Wieder auf Englisch. Nur 281 Seiten dieses Mal.
Hokkaido Highway Blues – Hitchhiking Japan
344 Seiten
Will Ferguson (tatsächlich wohl William, so zumindest stellt er sich einem der Japaner im Buch vor)
2003 (abridged edition), die ungekürzte Version ist nicht mehr aufgelegt.
3 von 5 Kokosnüssen, weil ich seine harschen Beurteilungen von Leuten, die einfach nur eine andere Kultur als er haben, als unangenehm zu lesen empfand, wenn er auch eine flüssige, meist eben unterhaltsame Schreibweise hat. Immerhin noch drei, weil er sehr unterhaltsam schreibt. Und sich selbst auch nicht schont. Auch den einen oder anderen bewegenden Moment hält er gekonnt fest.

Reiselektüre