Natürlich kommt auch inhannover nicht am neuen OB vorbei.
Jetzt wird also das Rathaus in Grün geführt. Ich denke, was die Hannoveraner damit zum Ausdruck brachten, ist nicht, wie im NDR-Kommentar, ein Wunsch nach Wechsel, sondern ein Wunsch, politisch ähnlich zu bleiben. Die Grünen sind seit ein paar Jahren schon die moderne Variante der SPD. Keine rückwärts gewandte, an bestimmte politische Floskeln gekettete Klassenkämpfer, wie das die Linke wäre, die immer noch ihrer sozialistischen Gesellschaft hinterher heult. Keine auf Arbeitertraditionen gegründete, traditionelle (und damit auch mittlerweile recht konservative) Partei, die in der modernen Servicegesellschaft nicht angekommen ist, und natürlich auch nicht die Partei, die Gewinn über alles stellt (wer bei allem nur auf den Preis guckt, kennt den Wert von nichts) und für Menschliches kein Geld übrig hat, die FDP.
Erstaunlicherweise hat der CDU-Kandidat nur sehr knapp verloren.
Herr Scholz ist selber nicht CDU-Mitglied, kann sich daher parteilos nennen, ohne wirklich parteilos zu sein, sonst wäre er nicht für die CDU angetreten. Er hat sehr, sehr achtbare 47,1 Prozent geholt. In einer Stadt, die seit 73 Jahren von Parteien des linken Spektrums regiert wird, ist das ein wirklich gutes Ergebnis!
Aber letztendlich wollten die Mehrheit der Stadtbewohner dann doch lieber einen OB, der wieder für soziale, nachhaltige Politik steht, bei der Geld nicht nur zum Sparen da ist, sondern wo es auch mal sinnvoll ausgegeben werden darf. Und so wählte Hannover mit 52,9 Prozent einen grünen OB, mit einer Rot-gelb-grünen Koalition im Rat. Die grünen Positionen, das sollte den Mehrheitsbeschaffern der FDP klar sein, sind von den Hannoveranern durchaus gewünscht.
Wenn wir uns mal angucken, in welchen Stadtteilenn Onay seine Mehrheiten hat:
Calenberger Neustadt, noch sehr Innenstadt-nah.
Döhren, Hainholz, Herrenhausen. Dabei überrascht mich Hainholz. Kleefeld, auch ein Überraschungskandidat. Erwartet hab ich die Ergebnisse von Limmer und den drei Lindener Wahlbezirken – weit in den 70ern, zweimal sogar über 80 Prozent. List, die schon immer eine Grünen-Hochburg waren. Mitte. Erwartungsgemäß Nordstadt mit der hohen Studentendichte. Oststadt. Knapp in Ricklingen gewonnen, überraschend. Südstadt, erwartungsgemäß. Vahrenwald, hohe Dichte von Deutschen, die mal in der Sovietunion geboren wurden – daher hat mich das mit den Grünen und 58% überrascht, die tendieren normalerweise zum anderen Spektrum. Aber es gibt in Vahrenwald auch viele Mitbürger, die daheim türkisch sprechen … das kann ein Grund gewesen sein.
Diese hohe Dichte von Leuten, die ihre erste Sprache als Türkisch angeben würden, würde man sie denn fragen, gibt es auch in Vahrenheide, aber dort ist eindeutig Scholz bevorzugt worden.
Die ganz reichen Stadtteile, Isernhagen und Zooviertel – haben sich verhalten, wie ich es erwartet habe – und überwiegend Herrn Scholz ihre Stimme gegeben. Die ganz armen Stadtteile (Vahrenheide, Mühlenberg) – ebenfalls.
Die Stadtteile, die weder superreich, noch superarm sind, schwankten.
Ebenso, wenn man mal auf Ausländeranteile guckt, auch wenn Herr Onay natürlich deutscher Staatsbürger ist, hat er doch türkische Wurzeln, daher sei mir das erlaubt, mal zu schauen, ob die hier lebenden türkischstämmigen Migranten, denen das genauso geht, deutscher Pass, türkischer Name, „ihren Mann“ gewählt haben. Nicht in jedem Fall, aber schon.
Auch in der Nordstadt z.B. wohnen viele Familien, deren Namen ich erst im dritten Versuch richtig ausspreche. Der Trend in dieser Bevölkerungsgruppe schien zu sein, Onay die Stimme zu geben.
Was eben dazu führt, dass zusammen mit den Studenten über drei Viertel der Wähler dort für den Grünen Politiker ihre Stimme abgegeben haben. Aber die Nordstadt hat auch immer eher links als rechts gewählt, weil es auch ein altes Arbeiterviertel in Hannover war, nicht nur, weil dort jetzt Studenten und Migranten wohnen.
Und mein Stadtteil? Die Südstadt hat grün gewählt, nicht so überwältigend wie Linden, nicht so überwältigend wie die Nordstadt. Wir sind hier ein Viertel mit vielen Familien, wenig Parkplätzen, da wird man ganz automatisch ein Freund des Öffentlichen Personennahverkehrs. Und wir haben unseren Anteil an Bioläden (wünschen uns also mehr Rücksicht auf die Natur), Probleme mit steigenden Mieten (wünschen uns daher eine Entlastung auf dem Markt, Neubau ist aber bei der eher dicht bebauten Südstadt nicht wirklich möglich), Abgasprobleme (Sallstraße, Marienstraße, Hildesheimer Straße) … und der neue OB verspricht Hoffnung, dass zumindest ein Teil der Probleme sich bessert. Ein Herr Scholz hätte vermutlich unsere grüne Lebensader, die Eilenriede, stärker bewirtschaftet und damit unser nahes Naherholungsgebiet weniger attraktiv gemacht, weitere Verdichtungsbauten befürwortet, auf denen dann aber nur hochpreisige Wohnungen entstehen, die sich ein Normalverdiener mit Familie nicht mehr leisten kann und wer weiß was für Zuschüsse für Kultur und Bildung gekürzt.
Man sieht an den englischen Tories, wohin Konservative Politik führt: Zu einem unerwünschten Egoismus, zu einem Verkauf von Tafelsilber, zu einem Abbau an Infrastruktur (Schließung von Bädern und Büchereien, Reduzierung des Nahverkehrangebots), zu einem gefährlichen Glauben daran, dass es „der Markt“ schon richten wird. Der Markt funktioniert bei vielem gut. Aber es gibt Sachen, die ich nicht dem Markt überlassen möchte: Öffentliche Einrichtungen wie Büchereien, das Gesundheitswesen, grundlegende Freizeitangebote wie Grünanlagen und Sportanlagen, und eben auch den ÖPNV … Wenn da nur der Preis zählt, aber nicht der Wert, wie das in England bei den Konservativen der Fall ist, dann zerfällt eine Gesellschaft.
Wie man auf der Insel sehr gut sehen kann.
Und Hannover hat mit seiner OB-Wahl gezeigt, dass es in diese Richtung nicht gehen will. Danke Hannover, ich lebe wirklich gerne hier.