Another Kyoto, von Alex Kerr
Kerr, der lange Zeit selber in Kyoto gewohnt hat, ehe es ihn aufs Land zog, beschreibt hier Seiten von Kyoto, die man seltener sieht, bei denen man genauer hinsehen muss oder die in ihrer Banalität sich nicht gleich dem Betrachter offenbaren.
In Japan – wie oft in Asien – geht nichts ohne geistige Unterfütterung, auch diese Zusammenhänge werden von Kerr angerissen.
Er gliedert sein Buch in Tore/Wände/ShinGyoSo (True/Running/Grass – or Cursive – die drei Arten des Schreibens, wir würden wohl Gedruckt, Kursiv und Handschrift verwenden – und in der Tat tun wir das, wenn wir sagen, etwas ist besonders scharf, ist es „wie gedruckt“)/Böden/Tatami (Boden-Matten)/Plaketten/Fusuma (Japanische Papierschiebetüren)/Wandschirme und Enma-do (Statuen eines richtenden Gottes, dargestellt als Dreifaltigkeit, Der Schreiber, der Richter und der Verkünder des Urteils, wobei Enma eigentlich nur der Richter ist)
Tore in Japan sind oft torlos – also ohne Flügel, unverschließbar, die bekanntesten sind dabei wohl die Torii. Anders als China, wo die Tore durch Wände hindurch führen, sind die Tore in Japan nur noch Symbole. (Natürlich sind Türen weiterhin in Japan existent und oft verschlossen.)
Wände, oder auch Hecken, Gräben oder andere Abgrenzungen sind ebenfalls nicht unüberwindliche Hindernisse, und man kann, wie bei uns übrigens ja auch, an der Art der Wand erkennen, aus welcher Periode sie stammt.
ShinGyoSo – Shin, steht für formal, streng, detailreich. Running – ist ein wenig verwaschener – und So grenzt ans Abstrakte, ist aber auch das Urtümlichere. Das ist deutlich in den Beispielbildern zu erkennen oder an Keramiken. Wobei die Teezeremonie, sehr formal, mit So-Geschirr durchgeführt wird. Man wollte sich von China damit abgrenzen.
Böden – wie auch hier waren die Böden dem Wandel der Zeit unterworfen, von gestampftem Lehm zu feinem Parkett. Mit dem Unterschied, dass in traditionellen Häusern die Lehmböden immer noch in Küchen verwendet wurden. An der Art des Bodens und auch der Bodenhöhe konnte man sehen, wo der höchstrangige Mann saß.
Tatami haben dies dann noch gesteigert. Um Tatami gibt es diverse Etikette – und natürlich zieht man wegen der Tatami die Schuhe aus. Und – Tatami haben eine Einheitsgröße. Daher werden Grundflächen in Häusern in Tatami angegeben, nicht Quadratlängeneinheiten.
Plaketten – mit Schriftzeichen bedeckte hölzerne Schilder, die oft dazu dienen, einen Raum zu benennen. Viele davon sind in Kyoto nicht öffentlich zu sehen, da sie heute hautpsächlich in Tempeln überleben.
Mit dem Kapitel über die einzigartigen Fusuma, die es in keinem anderen Land der Welt gab, tritt Kerr dann in die Fülle japanischer Architektur ein, und in die Kunst. Denn da traditionelle japanische Häuser nur Papierwände hatten, gab es nichts, woran man Bilder aufhängen konnte – bis man Fusuma für die Inneneinteilung der Räume erfand, und dort plötzlich große Leinwände entstanden. Eine Art „Wandmalerei“.
Unter einem ähnlichen Aspekt sah Kerr Raumteiler.
TL; DR – Kerr zieht Parallelen zwischen chinesischer Kultur, in der die japanische verwurzelt ist und dem, was man in Japan draus gemacht hat. Denn man ist in Japan einen eigenen Weg damit gegangen.
Bisher hat mir dieses Buch über Japan unter touristischen Aspekten am Meisten gefallen.
Daher 5 Kokosnüsse von 5. Auch wenn vieles von dem, was Kerr als Beispiel anführt entweder der Vergangenheit angehört – oder nicht der Öffentlichkeit zugänglich ist.
Alex Kerr
Another Kyoto,
Penguin
2016 (als Penguin 2018)