Im Guardian regt sich Eva Wiseman auf, dass sich Leute darüber aufregen, wenn Frauen ihr Makeup im Zug auftragen.
Sie sagt, es sei frauenfeindlich, weil man von Frauen doch erwarte, dass sie weiblich aussehen sollen, aber niemand sehen wolle, wie das erreicht wird. Das würde Frauen einschränken.
Liebe Frau Wiseman – nein, es ist nicht frauenfeindlich von Leuten zu erwarten, dass sie ihre Morgentoilette bitte daheim erledigen. Ich möchte auch keinem Kerl beim Rasieren zusehen oder mitbekommen, wie jemand seine Zähne reinigt, Dreck unter den Nägeln rauspult oder einen Pickel ausdrückt. Das ist ganz einfach etwas, dass man wie den Toilettengang im Privaten erledigt. Und wenn man dafür fünf Minuten früher aufstehen muss oder das Tempo morgens erhöhen muss, damit man rechtzeitig fertig wird, dann ist das halt so.
Ich weigere mich übrigens standhaft, überhaupt Makeup aufzutragen und bisher hat noch keiner gewagt, mir zu unterstellen, ich sei nicht weiblich genug. Weder Mann noch Frau. Die Leute haben sogar schon lange aufgegeben, zu versuchen, mir Kleider oder Röcke aufreden zu wollen. Man muss das aushalten, dass Leute Erwartungen haben, die man nicht erfüllen will.
Dass man die Leute trotzdem nicht an der täglichen Reinigung und Pflege teilhaben lässt, ist einfach gesellschaftliche Konvention. Aber das verstehen Leute wie Sie, die Sie in Zeiten von Oversharing per Facebook/Instagram und youtube groß geworden sind, wohl nicht.
Wenn mir Leute eine nicht perfekte Fassade im Zug zeigen, kann ich damit leben. Wenn Leute Badezimmer-Aktivitäten in den öffentlichen Raum tragen, stört mich das. Es sind private Momente, die ich nicht mitbekommen möchte. Und ja, für mich ist das Auftragen eines Lippenstiftes in der Öffentlichkeit dazugehörend. Niemand will einer Frau in die Gosch gucken, während sie den Rand dazu bemalt.
Aber vielleicht bin ich ja auch einfach nur mit 49 Jahren und 363 Tagen ein bißchen zu alt für soviel Oversharing.