Heute in den frühen Morgenstunden habe ich Michelle Obamas Biografie beendet, Becoming.
Darin schildert sie in drei großen Abschnitten erst ihr Leben als Michelle Robinson, wie sie aufwuchs in einer Arbeiterfamilie mit einer „Nur“-Hausfrau-Mutter (die Mutter hatte ihren Beruf aufgegeben, um sich um die beiden Kinder zu kümmern) und einem bei der Wasserversorgung arbeitenden Vater, sowie mit dem älteren Bruder Craig.
Was man ihr von Anfang an beibrachte, war, nach „Höherem“ zu streben, sich anzustrengen, mehr vom Leben zu wollen, sich gegen die Ungerechtigkeit zu wehren, die sie als schwarze Jugendliche aus Chicago erfahren hat.
Und das hat sie getan. Sie hat in Princeton und Harvard studiert und als Rechtsanwältin gearbeitet (in einer Firma, die sich um Vertragsrecht kümmerte, nicht bei so nem Feld-, Wald- und Wiesenanwalt). Sie hat dabei dann ihren Ehemann kennen gelernt, hat den Job gewechselt, hat sich für Benachteiligte eingesetzt, hat dabei auch Rückschläge in den Finanzen hingenommen – und hat dann die Politikkarriere des Ehemannes unterstützt und zwei Töchter bekommen, was nicht einfach war.
Sie ist als erste Schwarze „First Lady“ geworden, hat sich dabei nicht nur um ihre Initiative für Gesünderes Essen für Kinder gekümmert, sondern auch um eine Initiative, die es den Familien von Soldaten und Veteranen erleichterte.
Sie hat definitiv KEINE Ambitionen, sich selber in den Politikbetrieb zu stürzen. Ein wenig Schade, aber verständlich. Eine ihrer Schwächen, die sie einräumt, ist, dass sie mit (ungerechtfertigter) Kritik und irrationaler Ablehnung nur schwer umgehen kann.
Ihre Stärken sind ihre Fokussierung auf ein Ziel, das sie erreichen will, ihre wirklich aufopfernde Liebe für ihren Mann und die zwei Töchter und ihr Gerechtigkeitssinn. Sie übersieht nicht, dass sie es trotz der nicht gerade reichen Familie leichter hatte als andere Jugendliche, die ein instabiles Elternhaus hatten.
Ihre Eltern haben für die Kinder viel geopfert, wie das viele Eltern für ihre Kinder getan haben. Das war Michelle auch bewusst, weshalb sie ihren Eltern nichts von dem geplanten Frankreichtrip der Klasse erzählt hatte, in der Annahme, dass das eh viel zu teuer sei. Und die Eltern hörten es doch, von einer anderen Mutter und teilten ihrer Tochter mit, dass nicht SIE zu entscheiden habe, was zu teuer sei. Und so flog Michelle mit den anderen nach Paris.
Diese hingebungsvolle Liebe hat Michelle also zum Vorbild bekommen, etwas, das anderen fehlt.
Beschreibt sie auch Sachen, die eher peinlich für sie waren? Ja, aber nur wenige. Ein großes Lob galt auch der Queen, die sie einige Male getroffen hat, und die ihr bei einem Besuch sagte, sie solle doch aufs Protokoll pfeifen … (also, nicht genau in den Worten).
Welchen Eindruck hatte ich nach dem Lesen von Michelle Obama gewonnen? Dass sie eine pflichtbewusste und fleißige Frau ist. Dass sie intelligent ist – ICH käme weder in Princeton noch in Harvard an, und ich halte mich schon für nicht ganz blöd. Dass sie eine Kämpferin ist. Und dass sie mit Humor ein kleines Problem hat, weil sie das Leben viel zu ernst nimmt, aber sie selber sagt immer wieder, dass ihr Barack Obama in der Beziehung weiterhilft. Der ist nämlich etwas entspannter als sie – nach ihrer Aussage.
Hat mir das Buch gefallen? Ja, und ich kann es weiterempfehlen, wenn man etwas über die neuere amerikanische Geschichte hören will, das aus dem Alltagsleben der Personen kommt – und nicht nur die großen Schlagzeilen. Man sieht hier mal die andere Seite Amerikas, fern der weißen Vororte mit weißen Zäunen. Man sieht hier ein schwarzes Amerika jenseits der Ghettos und jenseits der Celebrities. Ein Amerika, das immer noch nicht die Hautfarbe ignoriert.
Michelle Obama
Becoming (englischer Titel, ich hab es auf Englisch gelesen)
2018
426 Seiten im Hardcover