32 Spielstätten hatten geöffnet, aber niemand hätte mehr als 8 geschafft. Wir haben fünf Aufführungen gesehen.
Begonnen hat es mit einem Zauberkünstler auf der Hinterbühne. Die Hinterbühne ist ein kleines, unabhängiges Theater mit zwei Bühnen, der Zauberkünstler „Wiesel“ trat auf der Bühne auf, die mehr Zuschauer unterhielt, nebenan wurde vor ca. 20 bis 30 Leuten Loriot gegeben. Also, natürlich nur ein Loriot-Tribute-Act.
Wiesel zeigte einen atemberaubenden Kartentrick – mit dem Kartenstapel in einer „Tier“-Falle (so wie man sie aus Zeichentrickfilmen kennt), aus dem er die „richtige“, von dem jungen Mann neben mir gekennzeichnete Karte herauslöste, ohne seine Finger zu brechen. Natürlich. Ich will auch gar nicht wissen, wie es genau funktioniert. Er zeigte einen Tuch in Ring-Trick, nicht neu, aber solide. So wie auch sein Seiltrick. Aber am Besten gefiel mir die Nummer, bei der er NICHT zauberte. Diese Nummer war zauberhaft:
Er hatte ein Stück Leinwand, auf eine bestimmte, komplizierte Art und Weise mit Falten versehen, die es ihm ermöglichte, mit wenigen Griffen aus diesem Stück immer neue Formen zu „zaubern“ – und er erzählte eine Geschichte, die er mit dieser Leinwand illustrierte. Das war unterhaltsam, das war originell und lustig war es auch!
Anschließend gingen wir die wenigen Schritte hinüber zu den Kulissenwerkstätten des Staatstheaters. Dort wurden wir von einem der Meister aus der Schlosserei durch Schlosserei, Tischlerei und Malerei geführt. Das dauerte eine geraume Zeit und war sehr beeindruckend. Nicht, dass ich mir die Zahlen alle merken konnte. Aber ich hatte keine Ahnung, wieviel Schlosserarbeiten für die Kulissen notwendig sind, heutzutage. Früher hat man vieles mit „Aufzügen“ gemacht, Kulissen, die auf Leinwände gemalt waren und nicht begehbar. Heute dagegen sind die Bühnenbildner diejenigen, die wegen zuviel Mathe nicht Architektur studiert haben, und die Kulissenwerkstatt all die „Arbeit“ machen lassen, (Statik, Machbarkeit in Bezug auf Höhe und Zusammenbaubarkeit). Zwei Fachkräfte entwerfen, natürlich heutzutage am Computer, die technischen Zeichnungen, die von den Bühnenbildnern abgesegnet werden müssen. Dann arbeitet die Schlosserei an den Rahmen und Stützen – wenn die Bühne auch in der Höhe bespielt werden soll, ist natürlich mehr Stütze notwendig. Die Tischler verkleiden mit Platten die Gestelle und die Maler sorgen für die Illusion, dass man da nicht nur Holzplatten sieht. In der Malerwerkstatt wird auch viel mit Schaumstoff gearbeitet, man beschäftigt auch Leute, die dort Skulpturen und sogar aufwändigen Kopfputz entwerfen. Aus Schaumstoff.
Eine sehr informative Führung, die länger dauerte als angekündigt, Fragen wurden auch beantwortet und wir hatten viel Spaß.
Als nächstes strebten wir einem Musikkabarettisten zu. Die Kleinkunstbühne liegt ein wenig aus der Innenstadt entfernt, aber der Weg hat sich gelohnt (wir sind mit der Bahn gefahren, zum Thema Kulturbus schreibe ich vermutlich etwas, wenn Punkt, Punkt, Punkt das Thema Chaos vorgibt).
In einem Kleingartenvereinsheim bespielt die Kleinkunstbühne (so der Name des Theaters, nicht die Einstufung) einen kleinen Saal, den man sicher auch für Familienfeiern mieten kann – so sieht er jedenfalls aus … Eine Bühne war aber vorhanden, nicht besonders groß, aber da die Acts der Kleinkunstbühne nicht Theater spielen sondern Kabarett und Gesang vortragen, völlig ausreichend. Zu Gast an diesem Abend war Thorsten Hitschfel, nach eigenen Angaben freute er sich, nicht aus den „gebrauchten“ Bundesländern zu kommen, sondern aus den neuen. (Natürlich hat der Mann recht! Nach fast 26 Jahren Wiedervereinigung noch immer von NEUEN Bundesländern zu reden, ist einen Seitenhieb wert. Zumal diese Sprechweise auch beinhaltet, dass die Leute, die dort leben, noch „grün“ hinter den Ohren sind, auch wenn sie zu einem guten Teil braun wählen. Übrigens wäre Herr Hitschfel der letzte, der dies bestreitet, einer seiner Gags war auf Dresden und Pegida hin gerichtet).
Die Quintessenz der Nummern, die wir dort sahen, war aber eher: Früher hat man noch ordentliche Musik gemacht, heute ist es nur noch Humpa-Humpa … Vielleicht hat er noch nicht mitbekommen, dass Scooter ein Produkt der 90er war – und jetzt nur noch eine Randerscheinung ist. Doch mal abgesehen davon, was als „Moderne Musik“ zu gelten hat, in den 90ern habe ich genau dasselbe gedacht.
Beispiel für seinen Humor: „Früher sang man Liebeslieder, heute gibt es nur noch Pop-Musik“. In Zeiten von Tinder hat er so Unrecht nicht.
Und singen konnte Herr Hitschfel übrigens auch noch! Meinem jungen Begleiter gefielen die Gags nicht besonders, die im unterschiedlichen Sprachverhalten von Ost und West begründet waren (hier ist eindeutig mehr Denglisch). Aber vielleicht waren die Gags auch einfach der Tatsache geschuldet, dass sich Herr Hitschfel in einer fast dialektfreien Stadt befand – und dieser Tatsache Rechnung tragen wollte.
Ich jedenfalls habe mich gut amüsiert bei einem Mann und seiner nicht mehr ganz tiefroten Gitarre – weil es früher ja nur rote Gitarren gegeben hätte.
Anschließend nahmen wir die Bahn zurück, bis in die Altstadt hinein, dort wollten wir im Ballhof einkehren, doch die Vorstellung begann doch um 21 Uhr und nicht, wie im Internet verkündet, um 21:30 Uhr. Die Schlange, die wir sahen, waren bereits Leute, die sich für die 22 Uhr Vorstellung anstellten – wir saßen auf der Bank daneben, weil wir nun unverhofft viel Zeit hatten – und genossen den wirklich netten lauen Abend mit ohne Regen. Die Sonne sank, wir unterhielten uns über anstehende Schulabschlussjubiläen (ja, ist bei mir nächstes Jahr um diese Zeit 30 Jahre her!) – und über dies und das – und gingen dann gemächlich zum Haupttheater Hannovers: Das Schauspielhaus.
Dort konnten wir in Ruhe noch Postkarten der aktuellen Produktionen mitnehmen – und ich nahm mir eine mit über das Stück, von dem wir an dem Abend Teil 2 zu sehen bekamen.
Dann schlossen wir unsere Rucksäcke weg, der dafür notwendige Euro kam wenigstens auch wieder heraus (nimm das, Theater am Aegi!) und gingen dann nach oben, um darauf zu warten, eingelassen zu werden. Mit ein wenig Verspätung kamen wir dann auf unsere Plätze – es war voll – und sahen uns den zweiten Teil einer von Struwwelpeter inspirierten „Junk-Opera“ an (so die Selbstbezeichnung im Flyer zur Langen Nacht). Es wurde viel gestorben (aber so richtig zahm ist die Vorlage ja auch nicht). Und das Gestell des Elephanten-Autos schloß einen Kreis zu der Werkstattführung – das kam natürlich von dort!)
Den Abschluss des Abends bildete ein Besuch im GOP. Eine spanische Truppe gastiert dort gerade und hat drei Equilibristen und eine Ring-Artistin aufgeboten. Letztere war poetisch, die ersten waren solide mit einem leicht homophobischen Humor. (Aber vielleicht ist das auch ein kulturelles Missverständnis zwischen den Macho-Kultur-Spaniern und der deutschen Betrachterin. Um das zu klären, müsste jemand anders sich das ansehen und seinen Eindruck schildern. Mein Begleiter jedenfalls hatte auch diesen Eindruck.)
Um überhaupt ins GOP hinein zu kommen, musste man übrigens auch als Karteninhaber sich in eine Schlange stellen. DAS war erstaunlich, aber den Örtlichkeiten geschuldet. So gab es kein Gedränge in dem engen Gang, der den Zugang zum GOP bildet – und die Feuerwehr dürfte das gefreut haben – Fluchtwege wurden so freigehalten.
Danach wollte ich eigentlich den Nachtbus nach Hause nehmen, aber der letzte war zehn Minuten vorher gefahren, der nächste fuhr erst wieder in fünzig Minuten. So entschied ich mich, doch noch zum Geldautomaten zu gehen und mit dem Taxi nach Hause zu fahren. Vom Bahnhof bis zu mir nachts um Viertel vor eins – zehn Euro. Plus Trinkgeld …
Es war wieder ein gelungener Abend, fünf von acht möglichen Veranstaltungen haben wir uns angesehen, das TAK haben wir uns geschenkt (sonst jedes Jahr gern, aber dieses Jahr zog es mich nicht hin), einen neuen Veranstaltungsort habe ich dafür besucht (ich war noch nie bei der Kleinkunstbühne). Die war auch das erste Mal dabei!
Preis: Fünfzehn Euro. Unterhaltung von 18 bis 0:30 Uhr. Wenn das kein ordentliches Preis-Leistungsverhältnis ist.
Viereinhalb von fünf Kokosnüssen (den halben Nuss-Abzug gibt es für die Kulturbusse, die jetzt nur noch alle halbe Stunde fahren und für den Fehler im Internet mit der Anfangszeit im Ballhof! Und das war großzüig, aber ich habe mich amüsiert, da bin ich generös gestimmt.)